Ich besuchte zum ersten Mal den (eingezäunten!) jüdischen Teil des Friedhofs und wurde von dem Teil angezogen, der ungepflegt und heruntergekommen war. So viele Menschen aus dem vergangenen Jahrhundert lagen dort.
Sie alle haben Verantwortung gehabt und Verantwortung übernommen. Und Sie alle haben sicherlich ihr Bestes gegeben, wenn auch manchmal nur für wenige Jahre.
Wie ist das mit uns? Hat sich was geändert? Und wenn ja, was? Übernehmen auch wir Verantwortung und geben unser Bestes?
Das mit der Verantwortung-Übernehmen und Dem-Besten-Geben ist so eine Sache!
Noch nie hatten wir so viele Möglichkeiten uns frei zu entwickeln und ein Leben ganz nach unseren Vorstellungen zu gestalten, und doch erlebe ich so viele Menschen, die nicht wissen, wie sie ‚richtig‘ Verantwortung für Ihr Leben übernehmen sollen. Viel zu viele Zwänge von außen hindern sie daran, ihr eigenes Leben zu leben. Trotz der unzähligen Möglichkeiten und trotz der nie dagewesenen Chancenfreiheit.
Der Grund? Viele verstehen unter Verantwortung die Übernahme verschiedener Rollen, die von der Gesellschaft geprägt werden. Da wären z.B. die Rolle als guter und erfolgreicher Arbeitnehmer(in), als Führungskraft oder Unternehmer(in), die Rolle als Mutter/Vater, die Rolle als Geliebte(r), die Rolle als Sohn/Tochter etc. pp. Und sie rennen und rennen, um all diesen Rollen zu entsprechen. Das macht man ja so, in der heutigen Zeit. Und Alexa und die Digitalisierung unterstützen uns dabei. Was dabei allerdings oftmals unterschätzt wird ist, die Macht unseres Unterbewusstseins.
Dort versteckt sich ein Teil in uns, den ich gerne den inneren Antreiber oder Kritiker nenne. Dieser Teil in uns liebt es uns mit Gedanken zu füttern, die uns zu Höchstleistungen anspornen oder aber auch zur Verzweiflung bringen können. Aus ihnen kann ein Circulus vitiosus entstehen, der im schlimmsten Fall nicht nur zu Frustration sondern zu verschiedenen Krankheiten und dem viel zitierten Burnout führen kann. Das gefährlich an ihm: Auch wenn wir irgendwo eine zarte Stimme verspüren, die uns zuflüstert, dass wir uns grad mit den Gedanken auf dem Holzweg befinden, unser Unterbewusstsein kann extrem machtvoll sein. Denn in der Regel haben wir gelernt, unseren Gedanken zu glauben.
Und genau da fängt in meinen Augen Verantwortung an. Wir, wir alleine sind für das, was wir denken, verantwortlich.
Und wir können lernen herauszufinden, welchen Gedanken wir folgen und welchen eben nicht. Wir können lernen zu differenzieren, wann unser Unterbewusstsein mit uns spricht und wann unser Herz, das unser Bestes will. Wir können lernen unser Leben so zu gestalten, dass alle unsere Potentiale sich frei entfalten. Denn dann leben wir unsere allerbeste Version und geben wirklich unser Bestes. Das bedeut für mich Verantwortung.
Wenn wir das gelernt haben, dann geschieht etwas Wundervolles: Wir holen uns unsere Macht zurück. Wir übernehmen die Führung und treffen immer wieder die Entscheidung: Folge ich dem Gedanken, oder kann ich evtl. auch anders denken, so dass ein anderes Ergebnis herauskommt. Ein Ergebnis, dass mit mir und meinen Bedürfnissen übereinstimmt. Das zu mir passt und mein Herz vor Freude strahlen lässt.
Noch nie hatten wir, die wir hier auf einem so privilegierten Fleckchen Erde leben, so viele Möglichkeiten uns zu verwirklichen. Noch nie wusste die Gesellschaft so genau darüber Bescheid, wie wir Menschen ‚funktionieren‘. All diese Möglichkeiten hatten die Menschen, deren Ruhestätte ich heute besucht habe, nicht. Deshalb möchte ich jedem zurufen: Unser aller Leben ist so kurz und so vergänglich.
Lasst uns gemeinsam die Verantwortung übernehmen, das Beste daraus zu machen. Für uns und die gesamte Menschheit.
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